Felsendom in Jerusalem

Ein Date mit Gott

Aus einer anfänglichen Ablehnung entwickelte Tobias Teichen eine Leidenschaft für Israel. Mittlerweile reist er einmal im Jahr ins „Heilige Land“, um auf Gott zu hören.

Tobi! Predige doch mal über Israel und über die Wurzeln unseres Glaubens!“ Vor einigen Jahren habe ich es oft erlebt, dass Menschen mich mit dieser Bitte bestürmten. Wenn ich ehrlich bin, haben mich damals diese Anfragen etwas genervt. Doch gefühlt traf ich in dieser Zeit überall nur noch auf Christen, die Israel auf dem Herzen hatten. Ich fühlte mich fast verfolgt von Flaggen schwenkenden Menschen, die in meiner Wahrnehmung alle Folgendes dachten: „Da ist Pastor Tobi! Fahnen raus und Spalier stehen, damit er das Thema auch in den Mittelpunkt stellt!“

Neben der Begeisterung, die mich manchmal etwas überforderte, fand ich es persönlich auch schwierig, wie das heutige politische Israel und das Volk Gottes „Israel“ durcheinandergeworfen wurden. Das kann doch nicht sein, dass es Leute gibt, die wirklich alles, was der Premierminister in Israel macht, immer gut finden, ohne zu hinterfragen, ob die Beschlüsse auch wirklich immer richtig sind? Oder dass man automatisch immer gegen Palästinenser sein muss, wenn man für Israel ist? Wenn ich mich in der Bibel auf die Suche nach Antworten gemacht habe, fiel mir auf, dass Gott nicht alles pauschal gut findet, was sein Volk und seine Kirche machen. Das Gegenteil ist sogar der Fall: In der Bibel werden uns das jüdische Volk und die Kirche als Menschen mit Stärken und Schwächen vorgestellt. Und auch die Konsequenzen ihrer Fehlentscheidungen kann man in Gottes Wort nachlesen.

…die Juden sind ersetzt worden? Wirklich?

Ein weiterer Punkt, der mich an dem Thema herausforderte, war, wenn ich hörte, wie unterschiedliche Gruppierungen sich theologisch mit dem Alten Testament auseinandersetzten. Vor allem die Ersatztheologie ließ mich aufhorchen. Sie vertritt die Vorstellung, dass die christliche Kirche nun den Platz des Volkes Israel in Gottes Erlösungsplan bekommen würde. Gott „ersetzte“ sein erwähltes Volk also durch die Kirche und die Juden seien sozusagen: Raus! Warum soll Gott das gemacht haben? Weil die Juden Christus verworfen hätten, hat Gott sie eben (Ätschi Bätsch) auch verworfen! Gut für die christliche Kirche, schlecht für die Juden, denn die Ersatztheologie geht davon aus, dass die Verheißungen, Bünde und Segnungen, die Israel in der Bibel zugeschrieben werden, den Juden weggenommen und der christlichen Kirche gegeben wurden.

Als ich mich mit dieser Theorie auseinandersetzte, ließ mich ein Gedanke nicht los: „Hat Gott das Volk Israel verworfen, weil es so störrisch war?“ Bedeutet das etwa, wenn Gott so mit Israel umginge, dann hätten wir störrischen Menschen auch keine Chance bei ihm? So eine Charaktereigenschaft passt aber nicht zu dem Gott, den ich aus der Bibel kenne. Mag mich Gott dann jetzt nicht mehr, weil ich bis heute nicht immer ein lieber angepasster Christ war und zu allem „Ja und Amen“ gesagt habe, was er von mir wollte?

Auf nach Israel!

Umso mehr ich mich mit diesen ganzen Gedanken beschäftigte, desto größer wurde der Drang in mir, Antworten zu finden. Zu dieser Zeit kam „zufällig“ ein messianischer Jude in unseren Gottesdienst. Er sprach mit mir viel über das Alte Testament und somit über die hebräischen Wurzeln unseres Glaubens. Diese Gespräche flashten mich und ich merkte: Da gibt es echt viel zu entdecken! Wie ein Spürhund nahm ich langsam die Fährte auf und begab mich auf die Suche.

Damals bin ich dann eine Art Glaubensschritt gegangen und habe im Gebet zu Gott gesagt: „Challenge accepted! Ich suche jetzt bewusst nach unseren hebräischen und jüdischen Wurzeln.“ So begann eine turbulente Reise voller neuer Abenteuer. Und das erstmal ganz praktisch: Wir packten unsere Koffer und flogen mit einem Team aus unserer Kirche nach Israel. Wie Abenteurer machten wir uns auf die Entdeckungsreise und unser Film hieß: Indiana (Tobi) Jones – oder: Die Suche nach dem Ursprung meines Glaubens.

Wir hatten ein paar erste Kontakte, trafen messianische Gläubige und orthodoxe Rabbiner. Uns interessierten alle Glaubensrichtungen und wir führten gute Gespräche, lernten viel über die Kultur des Landes kennen und erfuhren eine große Gastfreundschaft. Was mich unter anderem begeistert hat, war Folgendes: Manchmal erlebe ich es, dass ich bei jemandem zum ersten Mal zu Hause bin und mich dort sofort daheim fühle. So war es auch in Israel! Obwohl ich noch nie in diesem Land gewesen war, fühlte es sich total vertraut an, wie eine Art nach Hause kommen.

Aus diesen Erfahrungen heraus begann ich viel zu recherchieren und langsam wuchs auch in mir eine Begeisterung für Israel. Jedes Mal, wenn ich im Land bin, erlebe ich, dass Gott mich mit Menschen zusammenführt, mir dadurch wichtige Begegnungen schenkt und so in besonderer Weise zu mir redet. Ich komme, um zu lernen, auf Gott zu hören und zu schauen, was er auf dem Herzen hat – für mich und für unsere Kirche.

Das Land der Prophetien!

Wie genau sieht das aus? Israel ist für mich ein prophetischer Ort. Und an dem Land kann man auch prophetisch sehen, was Gott grundsätzlich tut. Zum Beispiel die überraschende Neugründung des Staates Israel nach fast 2.000 Jahren, in denen das jüdische Volk in alle Nationen verstreut war – ein Wunder, das Gott schon im ersten Teil der Bibel vorhergesagt hat.

Auch ich persönlich empfange viele prophetische Eindrücke, wenn ich in Israel bin. Ich merke: Gott spricht in diesem Land auf eine besondere Art zu mir – durch Gegenstände und Erlebnisse, durch Menschen oder durch Bibelworte, die plötzlich in einer neuen Weise zu mir reden und sprichwörtlich für mich lebendig werden. Gottes Wort sagt, dass „von Zion Weisung ausgehen wird und des Herrn Wort von Jerusalem“ (Jesaja Kapitel 2, Vers 3, LUT). Und in gewisser Weise erlebe ich genau das bei meinen Besuchen in Israel. Jedes Mal gibt Gott mir und auch unserem gesamten Team Strategien und Ideen, die für unsere Kirche oder auch für unser persönliches Leben wichtig sind.

Begegnungs-Sightseeing

Ich persönlich habe mit Gott den Deal, dass ich einmal im Jahr nach Israel gehe. Aber meine Trips sehen anders aus als die der Touristen-Busreisen, die zehn Sehenswürdigkeiten in zwei Tagen anfahren. Für mich sind die Kontakte und Menschen interessant. Ich mache in Israel am liebsten Begegnungs-Sightseeing.

Und das trägt Früchte: Israel ist für mich kein Einzelthema mehr, über das ich mal predige, sondern zu einem Herzensthema geworden, das sich komplett durch alles in unserer Kirche durchzieht. Es geht um die gesamte Geschichte Gottes mit den Menschen, mit dem jüdischen Volk, mit der Kirche und der Verbindung zwischen allem. Das ist das Geheimnis. Es hilft, den roten Faden durch die gesamte Bibel zu entdecken.

Was Gott auf dem Herzen hat

Seitdem ich meine Abneigung gegen die Israel-Thematik abgelegt habe, verstehe ich immer mehr, wofür Gott leidenschaftlich brennt. Er hat das Volk und das Land Israel auf seinem Herzen und das nicht nur damals, sondern heute immer noch! Wir wollen uns einklinken und dieses Geheimnis immer mehr entdecken. Umso mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr merke ich, dass es unendlich viele Facetten und Tiefen hat und ich gefühlt immer noch am Anfang bin, obwohl ich schon so viel erlebt habe.

Was ich aber vor allem an diesem Thema feiere, ist, dass ich durch die Beschäftigung damit ein ganz anderes Beziehungslevel mit Gott entdecken kann. Denn bei diesem Thema durchlaufen Gott und ich die einzelnen Beziehungsebenen, die ich vorhin beschrieben habe. Ich merke, weil ich ein Thema, das Gott auf dem Herzen hat, auf mein Herz genommen habe, bin ich ihm auch ganz nahe. Es entsteht eine ganz neue Intimität zwischen mir und ihm. Unsere Beziehung wird tiefer und enger!

Am Anfang, da brennt das Feuer lichterloh im Herzen! Wie nach meiner Taufe und bei meinen ersten Jesus-Begegnungen im Leben. Aber seien wir ehrlich: Diese „wilde und heiße“ Liebe brennt nicht immer groß. Das Feuer wird kleiner. Aber wenn ich Holz nachlege, und das mache ich, indem ich mich für mein Gegenüber interessiere, ihm zuhöre, seine Themen verstehe und teile, dann wird das Feuer nie ausgehen. Im Gegenteil, es wird eine Glut bilden, die mich ganz besonders wärmt und mir ein tiefes Gefühl der Liebe und des gegenseitigen Verstehens geben kann.

Ein Date mit Gott

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich in meiner Beziehung mit Gott liebe, auch wenn er mich oft herausfordert. Es gibt immer wieder Momente, in denen ich merke, Gott ruft mich in bestimmte Situationen. Manchmal schickt er mich auf meinen Reisen in Israel an Orte, die mir von der Kultur her total fremd sind. Trotzdem merke ich, dass Gott gern in solchen Situationen mit mir redet. Er überrascht mich einfach immer wieder und es wird nicht langweilig mit ihm und das ist noch ein Grund, weshalb ich mich jedes Mal freue, wenn er mich zu sich einlädt und mich beauftragt, auch andere Menschen mitzubringen.

Im letzten Jahr haben wir eine Reise nach Israel mit zentralen Leitern aus unserer Kirche gemacht, um die Erfahrungen, die ich dort vor Ort mache und die Bedeutung, die es mittlerweile für mich hat, mit ihnen zu teilen. Wenn man in Israel ist und dort den Leuten begegnet, die besondere Atmosphäre spürt, bekommt der Glaube eine neue Dimension.

Es geht darum, Gottes Herz zu begegnen, diese Liebe zu spüren. Deswegen will ich viele Leute ins Land bringen, damit sie in Israel ihre hebräischen Wurzeln entdecken und einen besonderen Zugang zu dem Wort Gottes bekommen können und das in einer Tiefe und Breite, die man ohne diese Erfahrung vor Ort nicht hätte.

Unterstützer für Gottes Herzensthema

Als Indiana Tobi Jones Reisetruppe sind wir damals als Kundschafter nach Israel gekommen, auch heute erkunden wir das Land und die Menschen auf unseren Reisen immer noch. Aber wir möchten noch mehr tun: Wenn wir als Kirche nach Israel gehen, schauen wir, wie können wir Gottes Pläne dort mit unseren Gaben und Ressourcen fördern. Wir möchten erleben und entdecken, was Gott im Land tut, wo er erlebbar ist: Es entsteht Begegnung, Austausch und im besten Fall eine Herzensverbindung, dann unterstützen wir diese Arbeit vor Ort.

Auch als Leiterinnen und Leiter der Kirche haben wir eine Entwicklung erlebt, seitdem wir zusammen in Israel waren, dort als Gruppe beteten und tiefe Gespräche führten. Wir stehen auf einer ganz neuen Ebene und haben auch eine gemeinsame Sicht auf manche Dinge gefunden. Als Kirche und auch persönlich sind wir immer noch am Anfang, Israel zu entdecken und Gottes Herz für dieses Land und sein Volk besser kennenzulernen. Ja, wir sind neugierig und möchten in diesem Punkt Gottes Leidenschaft immer mehr teilen! Aus diesem Grund freue mich schon, wenn ich wieder tiefer zu eben diesen meinen Wurzeln wachsen darf, dann, wenn ich endlich wieder nach Israel reisen werde zu meinem jährlichen, besonderen Date mit Gott.

Tobias Teichen
(Jg. 1977) ist Pastor und Gründer des ICF München. Zusammen mit seiner Frau Frauke und einigen Freunden fing er 2005 an, mit dem ICF eine neue überkonfessionelle und zeitgemäße Art von Kirche in München aufzubauen, in der Menschen Gott neu erleben und in ihrer Beziehung zu Jesus wachsen können. Er hat einen Sohn und lebt in München.